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Michaela Gehms

Michaela Gehms

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Pressemitteilung

Menschen mit Demenz verstehen und gemeinsam begleiten

Demenz ist eine der häufigsten Gesundheitsprobleme im Alter und eine der Hauptursachen für Pflegebedürftigkeit. Immer mehr Menschen sind davon betroffen. Tendenz steigend. Die pflegerische und medizinische Begleitung und Versorgung muss sich auf diese Herausforderung ausrichten. Den Menschen mit Demenz verstehen zu wollen, sollte dabei das Leitbild des Handelns sein. Zudem ist es notwendig, die sektorenübergreifende Vernetzung auszubauen und nicht-medikamentöse Verfahren breiter einzusetzen. Dies sind die Kernpunkte der Grundsatzstellungnahme Demenz, die heute von den Medizinischen Diensten vorgestellt wurde.

Derzeit leben etwa 1,7 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland. Bis zum Jahr 2030 könnten es 2 Millionen, bis 2050 knapp 3 Millionen Betroffene sein. Mit zunehmendem Lebensalter steigt das Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Diese Entwicklung korreliert mit der demographischen Entwicklung. Die meisten Demenzformen sind in ihrem Verlauf fortschreitend und nicht heilbar. Zwei Drittel der Betroffenen werden von ihren An- und Zugehörigen in ihrem häuslichen Umfeld versorgt; ein Drittel lebt in Pflegeheimen. Der Anteil der Heimbewohnerinnen und -bewohner mit Demenz steigt ebenfalls und liegt inzwischen bei rund 70 Prozent.

Vernetzung und Kooperation der beteiligten Professionen stärken

Diese Entwicklung stellt das Gesundheits- und Pflegesystem vor besondere Herausforderungen. Menschen mit Demenz benötigen parallel verschiedene Versorgungsangebote. „Das Thema Demenz muss daher sektorenübergreifend gedacht werden – von der Pflegeberatung über die Pflege, in der Haus- und Facharztpraxis ebenso wie in den Krankenhäusern. Wichtig ist die Vernetzung und Kooperation“, sagt Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS. Die medikamentöse Behandlung von Demenzerkrankungen ist ein wesentliches Element einer umfassenden Therapie. Dennoch gilt es, den Nutzen und die Risiken der Medikamentenversorgung, insbesondere bei längerfristigem Einsatz, in jedem Einzelfall sorgfältig abzuwägen und gerade bei psychischen Verhaltenssymptomen nicht-medikamentöse Verfahren als Alternative zu prüfen. „Aus Studien wissen wir, dass über die Hälfte aller Heimbewohnerinnen und -bewohner Psychopharmaka erhalten – oftmals ohne dass der Ursache für sogenanntes herausforderndes Verhalten nachgegangen wird. Dabei kommt es darauf an zu fragen: Wer ist der Mensch mit Demenz und was könnte ihm in der konkreten Situation helfen?“, erläutert Dr. Andrea Kimmel, Seniorberaterin Pflege beim MDS.

Beziehungsgestaltung als Kern der Pflege und die Entlastung der Angehörigen

Menschen mit Demenz sind aufgrund ihrer Verletzlichkeit und der Beeinflussbarkeit von Umwelteinflüssen besonders auf soziale Unterstützung angewiesen. Das tägliche Miteinander gewinnt mit der Schwere der Erkrankung an Bedeutung. Bei der Begleitung, Pflege und Therapie kommt es darauf an, sich auf die Lebensgeschichte des Betroffenen einzulassen. „Die Begegnung sollte auf Augenhöhe erfolgen. Auch dafür wollen wir mit unserer Grundsatzstellungnahme sensibilisieren. Es geht darum, eine Beziehung aufzubauen und jenseits aller Fachlichkeit eine mitfühlende Haltung gegenüber dem Menschen mit Demenz zu entwickeln“, erläutert Dr. Kimmel.

Menschen mit Demenz sind insgesamt stark auf andere Personen angewiesen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Zu- und Angehörigen, die durch die Begleitung und Versorgung aber besonders belastet sind. Ärztinnen und Ärzte, Pflegeberatungen und Pflegedienste haben zu ihnen oft einen besonders intensiven Kontakt. „Dies sollte genutzt werden, um den Zu- und Angehörigen Mut zu machen und sie zu unterstützen, Entlastungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen“, sagt Dr. Kimmel.

Potenziale nicht-medikamentöser Verfahren besser nutzen

In der Grundsatzstellungnahme wird eine Vielzahl an nicht-medikamentösen Verfahren vorgestellt. Dazu gehören das Training kognitiver Funktionen und von Alltagsaktivitäten, Verfahren zur Beziehungsgestaltung und zur körperlichen Aktivierung. Diese sollten insgesamt stärker in der Begleitung, Pflege und Therapie von Menschen mit Demenz verankert werden. „An vielen Stellen sollte den nicht-medikamentösen Verfahren eine Priorität gegenüber medikamentösen Verfahren eingeräumt werden. Dabei müssen wir uns im Klaren sein, dass nicht-medikamentöse Verfahren personal- und zeitintensiv sind, so dass hierdurch Fragen der Personalbemessung und -besetzung angesprochen sind“, sagt Dr. PeterPick.

Begutachtungszahlen bestätigen Anstieg demenzieller Erkrankungen

Der Anstieg der gerontopsychiatrischen und demenziellen Erkrankungen spiegelt sich auch in den Begutachtungszahlen der Medizinischen Dienste wider: 2018 haben die Gutachterinnen und Gutachter bei über einem Drittel der Versicherten (35,2 Prozent), die erstmal seinen Antrag auf einen Pflegegrad gestellt und erhalten haben, erhebliche Beeinträchtigungen ihrer kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten festgestellt. Konkret traf das auf 320.000 Versicherte zu. Bei den Erstantragstellern, die ambulant versorgt wurden, betrug der Anteil der Menschen mit Demenz ein Drittel (33,2 Prozent). Bei den in der stationären Pflege befindlichen Pflegebedürftigen bzw. bei denjenigen, die in ein Pflegeheim umzogen, betrug der Anteil der Menschen mit Demenz fast zwei Drittel (62,3 Prozent). Das zeigt: Demenz und andere gerontopsychiatrische Krankheiten sind demnach die häufigsten Ursachen für den Umzug ins Pflegeheim.

Hintergrund:

Das Thema Demenz ist für die Medizinischen Dienste kein neues Thema. Der MDS hat bereits 2008 dazu eine erste Grundsatzstellungnahme als Praxisleitfaden für die stationäre Pflege veröffentlicht. Die neu überarbeitete Grundsatzstellungnahme „Menschen mit Demenz – Begleitung, Pflege und Therapie“ fasst die aktuellen fachlichen Standards für die medizinische und pflegerische Versorgung von Menschen mit Demenz zusammen. Die Grundsatzstellungnahme kann auf www.mds-ev.de heruntergeladen und unter Richtlinien/ Publikationen bestellt werden. Mit der Neuauflage leistet die MDK-Gemeinschaft einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs in der Praxis. Der Praxisleitfaden soll Pflegekräfte und alle weiteren Akteuren im Versorgungsalltag beraten und unterstützen. Mit der Grundsatzstellungnahme nehmen die Medizinischen Dienste ihren Beratungsauftrag zur Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung wahr.