Sicherheit von Medizinprodukten

Unsichere Medizinproduktemodelle, wie minderwertige Brustimplantate, defekte Defibrillator-Sonden oder schadhafte Hüftimplantate, haben in den vergangenen Jahren zu schweren Beeinträchtigungen vieler Patientinnen und Patienten geführt und für Schlagzeilen gesorgt. Im Unterschied zu den hohen Anforderungen, die im Interesse der Patientensicherheit an die Zulassung von Arzneimitteln gestellt werden, reicht in Europa für die Marktzulassung von Medizinprodukten die CE-Kennzeichnung – selbst für Medizinprodukte der hohen und höchsten Risikoklasse. Den damit verbundenen Zertifizierungsprozess verantwortet der Hersteller überwiegend selbst. Bis Mai 2021 galten für diesen Prozess die europäischen Medizinprodukterichtlinien. In deren Rahmen wählte der Hersteller eine der etwa 60 privatrechtlichen Benannten Stellen in Europa und bezahlte diese für die Zertifizierung. Doch die Qualität dieser Benannten Stellen wies extreme Unterschiede aus. Das zeigten Redakteure des British Medical Journal (BMJ) und des Daily Telegraph, die sich bei mehreren Benannten Stellen als Hersteller ausgaben, und die CE-Kennzeichnung für ein künstliches Hüftgelenk beantragten. Obwohl das Produkt laut der vorgelegten Unterlagen erhebliche Mängel und Gesundheitsgefahren aufwies, erhielt es von einigen Stellen die Marktzulassung.

Das Nebeneinander mehrerer zuständiger privater Unternehmen, Länderbehörden und Bundesoberbehörden bei der Marktzulassung und -überwachung verstärkt aus Sicht des Medizinischen Dienstes Bund die Intransparenz des Medizinproduktemarktes und erhöht das Risiko, durch Medizinprodukte geschädigt zu werden. Hinzu kommt die Schnelllebigkeit des Marktes mit kurzen Produktlebenszyklen und einer Vielzahl neuartiger Modelle und Produktvarianten, die vielfach nicht ausreichend gegenüber etablierten Produkten geprüft wurden. Häufig sind sicherheitsrelevante Informationen über ein Produkt nicht frei zugänglich, wie Gebrauchsanweisungen, Informationen darüber, welche Benannte Stelle es zertifiziert hat, welche klinischen Daten der CE-Kennzeichnung zu Grunde lagen oder wie lange es sich bereits in der Praxis bewährt hat.

Insbesondere anlässlich des Skandals um gesundheitsgefährdende Brustimplantate und der erkannten Defizite u. a. in der Marktzulassung, der Beobachtung und Meldung von schadhaften Produkten und deren Rückverfolgbarkeit ist eine neue Europäische Verordnung für Medizinprodukte, die Medical Device Regulation, kurz MDR, erarbeitet worden. Sie ist am 25. Mai 2017 in Kraft getreten und sollte nach einer Übergangsfrist von drei Jahren im Jahr 2020 gültig werden. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Übergangsfrist um ein Jahr verlängert und die Verordnung wurde am 26. Mai 2021 gültig. Auf nationaler Ebene wird in diesem Zuge das Medizinproduktegesetz durch das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz ersetzt. Die neue europäische Verordnung enthält wesentliche Verbesserungen: Die Anforderungen an die Qualität der Benannten Stellen sind strenger. Insbesondere für Produkte mit einem sehr hohen Risiko wird die klinische Bewertung restriktiver und eine zusätzliche behördliche Bewertung (Scrutiny-Verfahren) durch ein Expertengremium der EU Kommission verpflichtend. Um die Transparenz für verlässliche und relevante Informationen zu Medizinprodukten zu optimieren, sollen relevante Daten in die europäische Datenbank EUDAMED eingestellt und zum Teil öffentlich zugänglich werden. Zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit erhält jedes Produkt eine eindeutige Kennzeichnung (UDI). Ob tatsächlich die Patientensicherheit verbessert wird, hängt maßgeblich von der Umsetzung und der damit angestrebten Transparenz der verfügbaren Daten ab.

Die Umsetzung der MDR verzögert sich allerdings stark. Im Jahr 2022 wurde von der Europäischen Kommission festgestellt, dass es einen Engpass bei Benannten Stellen gibt, die Medizinprodukte gemäß den Vorgaben der MDR prüfen können. Auch seien zahlreiche Hersteller nicht ausreichend vorbereitet, um die strengeren Anforderungen der MDR umzusetzen. Dies könne dazu führen, dass viele Altprodukte vom Markt genommen werden müssten und ein Engpass in der Versorgung mit Medizinprodukten entstehen könnte. Um dies abzuwenden, wurden im März 2023 die Übergangsregelungen verlängert, so dass Altprodukte, die gemäß den europäischen Richtlinien CE-zertifiziert wurden, auch zukünftig noch vermarktet werden dürfen. Solange diese Altprodukte bestimmte Anforderungen an die Sicherheit und Qualität erfüllen, können hochrisikoreiche Altprodukte noch bis Ende 2027 und andere Altprodukte noch bis Ende 2028 in den Markt gebracht werden.

Ärzte, Ingenieure und Medizintechniker des Medizinischen Dienstes Bund arbeiten daran, die Informationslage über die Sicherheit von Medizinprodukten zu verbessern. Sie sind Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Krankenkassen und deren Verbände bei Fragen zu möglichen Produktfehlern und -risiken. Darüber hinaus engagiert sich der Medizinische Dienst Bund zum Beispiel im Endoprothesenregister Deutschland.

Aktuelles zu Auffälligkeiten bei Medizinprodukten

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Letzte Änderung:

24.05.2023