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Richtlinien der Pflegebegutachtung
Wenn Versicherte einen Antrag auf Pflegeleistungen bei ihrer Pflegekasse stellen, beauftragt die Pflegekasse den regional zuständigen Medizinischen Dienst mit der Begutachtung. Dabei wird festgestellt, ob die Voraussetzungen für Pflegebedürftigkeit gegeben sind und wenn ja, welcher Pflegegrad vorliegt. Zusätzlich prüfen die Gutachterinnen und Gutachter, ob die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln angemessen ist und ob Leistungen zur Prävention oder zur Rehabilitation empfohlen werden sollten.
Grundlage der Begutachtung sind die Richtlinien zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Begutachtungs-Richtlinien). Sie konkretisieren die allgemeinen Vorgaben des Pflegeversicherungsgesetzes und legen das Begutachtungsverfahren fest, damit die Begutachtungen in ganz Deutschland nach einheitlichen Regeln durchgeführt werden. Bis Ende 2021 hatte der GKV-Spitzenverband die Aufgabe, diese Richtlinien zu erlassen. Mit der Umfirmierung des MDS in den Medizinischen Dienst Bund zum 1. Januar 2022 hat der Gesetzgeber diese Aufgabe auf den Medizinischen Dienst Bund übertragen.
Mit dem Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) wurden die gesetzlichen Regelungen zum Verfahren der Pflegebegutachtung mit Wirkung zum 1. Oktober 2023 neu geordnet und ergänzt. Insbesondere wurden mit dem PUEG die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, um die Begutachtung zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit in bestimmten Fällen regelhaft auch in Form eines strukturierten Telefoninterviews durchführen zu können. Die Medizinischen Dienste hatten sich hierfür eingesetzt, um sicherstellen zu können, dass die Versicherten auch in Zeiten des demografischen Wandels und Fachkräftemangels zeitnah begutachtet werden können. Dies ist Voraussetzung, damit Versicherte den zeitnahen Zugang zu Pflegeleistungen erhalten können. Während der Corona-Pandemie erfolgten die Pflegebegutachtungen überwiegend telefonisch, um Pflegebedürftige vor Infektionen zu schützen. Die während der Pandemie gesammelten Erfahrungen der Medizinischen Dienste haben gezeigt, dass die Begutachtung in Form eines strukturierten Telefoninterviews eine Alternative zum Hausbesuch sein kann.
Vor diesem Hintergrund hatte der Medizinische Dienst Bund die Richtlinien zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit überarbeitet und am 29. September 2023 eine Fassung der Richtlinien erlassen, in der insbesondere die Regelungen des PUEG zur Begutachtung in Form eines strukturierten Telefoninterviews umgesetzt wurden. Am 26. März 2024 ist das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz) in Kraft getreten. Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass telefonische Begutachtung auch per Videotelefonie durchgeführt werden können. Dahingehend hat der Medizinische Dienst Bund die Richtlinien zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit erneut überarbeitet. Die Richtlinien wurden am
21. August 2024 vom Medizinischen Dienst Bund erlassen und am
18. September 2024 vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt. Sie treten am 26. September 2024 in Kraft.
Die Richtlinien sehen vor, dass telefonische Pflegebegutachtungen bzw. Begutachtungen per Videotelefonie regelhaft zum Beispiel bei Höherstufungs- und Wiederholungsbegutachtungen von Pflegebedürftigen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr eingesetzt werden können. In bestimmten Fällen ist der Einsatz einer telefonischen Begutachtung jedoch kritisch zu prüfen oder kann nur in Anwesenheit einer Unterstützungsperson erfolgen. Dies betrifft beispielweise alleinlebende Menschen mit einer demenziellen oder psychischen Erkrankung, Jugendliche zwischen dem vollendeten 14. und unter dem 18. Lebensjahr sowie Menschen, bei denen eine sprachliche Verständigung mit der Gutachterin bzw. dem Gutachter schwierig oder nicht möglich ist.
Ausgeschlossen sind telefonische Begutachtungen unter anderem bei der Erstbegutachtung und bei der Begutachtung von Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr. Die Entscheidungskriterien für ein strukturiertes Telefoninterview sind in Kapitel 6.1.2 der Begutachtungs-Richtlinien aufgeführt. Unabhängig von diesen Regelungen geht der Wunsch der antragstellenden Person, persönlich in ihrem Wohnbereich untersucht zu werden, einer Begutachtung mittels strukturierten telefonischen Interviews vor.
Eine wesentliche, vom Gesetzgeber vorgesehene, Grundlage für die Regelungen zur Begutachtung mittels strukturiertem Telefoninterview sind die Ergebnisse der pflegewissenschaftlichen Studie „Analyse des Einsatzes des Telefoninterviews zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI“ der Pflegewissenschaftler Prof. Dr. Klaus Wingenfeld und Prof. Dr. Andreas Büscher (2023). Bei der Überarbeitung der Begutachtungs-Richtlinien wurden sowohl die gesetzlichen Vorgaben als auch die Ergebnisse der Studie berücksichtigt.
Das PUEG legte zudem fest, dass in den Richtlinien zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit auch Regelungen zur Pflegebegutachtung bei Krisensituation von nationaler oder regionaler Tragweite zu treffen sind sowie Regelungen zu den Unterlagen, die die Pflegekassen den Medizinischen Diensten bei der Beauftragung der Pflegebegutachtung zur Verfügung zu stellen haben.
Krisensituationen können sowohl örtlich begrenzt (regional) als auch bundesweit (national) auftreten. Der Eintritt, das betreffende Gebiet und das Ende einer Krisensituation kann durch eine im Katastrophenfall zuständige Behörde oder den Deutschen Bundestag ausgerufen werden. In diesen Fällen kann auf eine Untersuchung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit im Wohnbereich der antragstellenden Person verzichtet werden und es können Pflegegutachten aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterlagen sowie durch – gegebenenfalls telefonische oder digitale – strukturierte Befragungen erfolgen. Die Definition von und der Umgang mit Begutachtungen bei Krisensituationen sind in Kapitel 3.4 der Begutachtungs-Richtlinien erläutert.
Aufgrund der im PUEG vorgesehenen Festlegung von Regelungen zu den vorzulegenden Unterlagen wurden in den überarbeiteten Richtlinien Informationen und Unterlagen definiert, ohne die eine Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nicht stattfinden kann. Die zwingend vorzulegenden Unterlagen sind in Anlage 1 der Begutachtungs-Richtlinien definiert und angepasst.
Derzeit werden durch den Medizinischen Dienst Bund die Voraussetzungen für eine regelhafte Implementierung der Videobegutachtung in die Begutachtungsprozesse der Medizinischen Dienste in einem großen Projekt untersucht. Das Forschungsprojekt wird vom GKV-Spitzenverband im Modellprogramm zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung finanziell gefördert. Hierzu wird in Kooperation mit elf Medizinischen Diensten und unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität Bremen geprüft, inwieweit die Ergebnisse einer videobasierten Begutachtung mit den Ergebnissen einer persönlichen Begutachtung vor Ort übereinstimmen. Zudem werden die Praktikabilität sowie die Akzeptanz der videobasierten Begutachtung aus der Perspektive aller an der Begutachtung beteiligten Personen untersucht. Das Projekt ist im April 2024 gestartet und läuft bis Ende März 2026.
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Richtlinien des Medizinischen Dienstes Bund zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 21. August 2024
In den Begutachtungs-Richtlinien wurde die Möglichkeit ergänzt, telefonische Pflegebegutachtungen auch per Videotelefonie durchführen zu können. Die Grundlage für diese Option wurde mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz) geschaffen, das am 26. März 2024 in Kraft getreten ist. Die Begutachtungs-Richtlinien lösen die Richtlinien vom 21. Dezember 2023 ab. BITTE BEACHTEN SIE: Aus Gründen der Nachhaltigkeit wird KEINE DRUCKVERSION der Begutachtungs-Richtlinien zur Verfügung gestellt.
Übersicht über zentrale Änderungen in den Begutachtungs-Richtlinien
Evaluationsbericht zur Durchführung von strukturierten Telefoninterviews zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit und erforderliche Änderungsbedarfe in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 SGB XI
Analyse des Einsatzes des Telefoninterviews zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Wingenfeld/Büscher 2023)
Informationen für Versicherte zur Pflegebegutachtung