Pressemitteilung

MDK-Behandlungsfehler-Begutachtung: Anstrengungen für Patientensicherheit verstärken

14.133 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) 2018 erstellt. In jedem vierten Fall wurde ein Fehler bestätigt. Das geht aus der Begutachtungsstatistik hervor, die heute in Berlin vorgestellt wurde. Sicherheitsmaßnahmen müssen konsequent umgesetzt werden. Notwendig sind Patientensicherheits-beauftragte und eine nationale Strategie zur Fehlervermeidung.

Die Anzahl der Gutachten ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen. In knapp jedem vierten Fall (3.497) bestätigten die MDK-Gutachterinnen und Gutachter den Verdacht der Versicherten. In jedem fünften Fall (2.799) stellte der MDK fest, dass der Fehler den erlittenen Schaden auch verursacht hat. „Unsere Begutachtungsstatistik zeigt jedoch nur einen kleinen Ausschnitt. Daher lassen sich keine generellen Aussagen zum Gefährdungsrisiko ableiten. Wissenschaftliche Studien gehen davon aus, dass auf jeden festgestellten Behandlungsfehler etwa 30 unentdeckte Fälle kommen. Die Dunkelziffer ist hoch“, sagt Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS. Das Wichtigste sei, über schwerwiegende und sicher vermeidbare Schadensereignisse wie Seiten- und Medikamentenverwechslungen oder im Körper verbliebene Fremdkörper nach Operationen – so genannte Never Events − zu berichten, um diese künftig systematisch zu vermeiden. Gronemeyer regt die Schaffung einer nationalen Never-Event-Liste und den Einsatz von Patientensicherheitsbeauftragten an, um die Sicherheitskultur in Deutschland voranzubringen. Denn, so Gronemeyer: „Sicherheitskultur ist auch Berichtskultur“.

Fehler in vielen Fachgebieten und bei unterschiedlichsten Eingriffen

In der aktuellen MDK-Begutachtungsstatistik betrafen zwei Drittel der Vorwürfe Behandlungen in der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern (9.433 Fälle); ein Drittel bezog sich auf Arztpraxen (4.649 Fälle). „Hintergrund dieser Verteilung ist, dass sich die meisten Behandlungsfehlervorwürfe auf operative Eingriffe beziehen und diese erfolgen zumeist in der stationären Versorgung“, sagt Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin des MDK Bayern.

31 Prozent aller Vorwürfe (4.349 Fälle) betrafen die Orthopädie und Unfallchirurgie,
13 Prozent die Innere Medizin und Allgemeinmedizin (1.792 Fälle), 9 Prozent die Allgemein- und Viszeralchirurgie (1.315 Fälle), ebenfalls 9 Prozent (1.231 Fälle) die Frauenheilkunde und Geburtshilfe, 8 Prozent die Zahnmedizin (1.109 Fälle) und
5 Prozent die Pflege (794 Fälle). „In Fachgebieten, in denen häufig Behandlungsfehler vorgeworfen werden, werden anteilmäßig nicht die meisten Fehler bestätigt. Eine Häufung von Vorwürfen sagt nichts über die Fehlerquote oder die Sicherheit in dem jeweiligen Fachbereich aus“, erläutert Zobel.

Häufungen würden viel mehr darüber etwas aussagen, wie Patientinnen und Patienten Behandlungen erlebten. Fehler seien für Betroffene bei chirurgischen Eingriffen meist leichter erkennbar als zum Beispiel Medikationsfehler auf der Intensivstation.

Die festgestellten Fehler betreffen die unterschiedlichsten Erkrankungen und die verschiedensten Behandlungen. Sie reichen von Hüftgelenksimplantationen über Zahnentfernungen bis hin zu Kaiserschnittentbindungen und Blinddarmoperationen. Die Zahlen sind nur repräsentativ für die vom MDK begutachteten Fälle, aber nicht für alle Behandlungsfehler in Deutschland. Daher lassen die Daten auch keine generellen Rückschlüsse auf die Patientensicherheit insgesamt zu.

Never Events von großer Bedeutung für Sicherheitskultur

Fehler, die sicher zu verhindern wären und gleichzeitig große Schäden verursachen können – wie zum Beispiel Verwechslungen des Patienten, der Seite, des beabsichtigten Eingriffs oder eines Medikaments – sind für das Erkennen, Umsetzen und Bewerten von Sicherheitsmaßnahmen von großer Bedeutung. „Wenn ein Never Event geschieht, dann bedeutet das nicht, dass Einzelne in der Medizin oder in der Pflege einen besonders verwerflichen Fehler gemacht haben. Es zeigt vielmehr, dass Sicherheitsvorkehrungen unzureichend umgesetzt wurden und Risiken im konkreten Versorgungsprozess bestehen“, erklärt PD Dr. med. Max Skorning, Bereichsleiter Qualität und Patientensicherheit beim MDS. Für die systematische Fehlervermeidung seien die gezielte Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen und das Messen der Schadensereignisse entscheidend. Denn nur dann kann man feststellen, ob die Maßnahmen zu weniger Fehlern und zu weniger Schäden führen. „Erfolge, die nicht klar gemessen werden, sind nicht von Dauer“, sagt Skorning.

Hintergrund

Spezielle Gutachterteams des MDK prüfen Vorwürfe von Behandlungsfehlern im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen. Die Gutachterinnen und Gutachter gehen dabei der Frage nach, ob die Behandlung nach dem anerkannten medizinischen Standard und in aller Sorgfalt abgelaufen ist. Liegt ein Behandlungsfehler vor, wird außerdem geprüft, ob der Schaden, den Versicherte erlitten haben, durch den Fehler verursacht worden ist. Nur dann sind Schadenersatzforderungen aussichtsreich. Auf der Basis des MDK-Gutachtens können die Betroffenen entscheiden, welche weiteren Schritte sie unternehmen wollen. Versicherten entstehen durch die MDK-Begutachtung keine zusätzlichen Kosten.

Hinweis zu Infografiken:

Die Infografiken unten können im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Jahresstatistik 2018 von MDS und MDK mit dem Quellenhinweis: MDS/MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) verwendet werden. Ansprechpartnerin für die Grafiken und für Fotos aus der Pressekonferenz ist Elke Grünhagen, Team Öffentlichkeitsarbeit, E-Mail: e.gruenhagen@mds-ev.de, Tel.: 0201 8327-116.

Infografiken zum Thema

Begutachtung der 14.133 vorgeworfenen Fälle

Bei der Begutachtung prüfen die Gutachterinnen und Gutachter, ob ein Fehler vorliegt, der einen Schaden verursacht hat. Drei Aspekte sind von zentraler Bedeutung. Erstens: Gibt es einen Fehler? Zweitens: Gibt es einen Schaden? Und drittens: Besteht eine Kausalität zwischen Fehler und Schaden? 2018 wurden 14.133 Fälle begutachtet. In 4.006 Fällen wurde ein Fehler nachgewiesen, in 3.497 Fällen ein Schaden. Und in 2.799 Fällen wurde bestätigt, dass der Fehler den Schaden verursacht hat (Kausalität).

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Gutachterliche Ergebnisse zu 14.133 vorgeworfenen Fällen

Die MDK haben 14.133 vorgeworfene Fälle begutachtet. In 75,3 % der Fälle hat sich der Vorwurf eines Behandlungsfehlers nicht bestätigt. In 71,7 % lag kein Fehler vor. In 3,6 % gab es zwar einen Fehler, aber keinen Schaden. In 19,8 % wurde nachgewiesen, dass der Fehler den Schaden verursacht hat. In 3,5 % war die Kausalität unklar, in 1,5 % bestand keine Kausalität. Insgesamt bestätigte der MDK 3.497 Behandlungsfehler mit Schaden.

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Anzahl jährlich begutachteter Fälle

Die Anzahl der jährlich begutachteten Fälle ist in den vergangenen 10 Jahren von rund 10.000 im Jahr 2008 auf 14.133 im Jahr 2018 gestiegen. Den größten Anstieg gab es zwischen 2012 und 2013. Die Anzahl der Fälle stieg in dieser Zeit um 17 % von 12.000 auf knapp über 14.000. In den Folgejahren ist die Anzahl der Gutachten weitgehend stabil geblieben. 2017 waren die Begutachtungen erstmals seit 2012 leicht rückläufig; sie sind 2018 aber wieder um über 600 Fälle gestiegen.

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Verteilung der Vorwürfe auf Fachgebiete

Bei der Verteilung der Vorwürfe auf die Fachgebiete haben die Fälle aus Orthopädie und Unfallchirurgie mit 31 % den größten Anteil. Das entspricht 4.349 Fällen. In 1.164 Fällen wurde ein Fehler festgestellt. Das entspricht einer Quote von 26,8 %.

13 % der Vorwürfe beziehen sich auf den Bereich Innere Medizin und Allgemeinmedizin. Das waren 1.792 Fälle. Dabei wurde bei 23,8 % ein Fehler nachgewiesen. 9 % der Vorwürfe bezogen sich auf die Allgemein- und Viszeral-chirurgie. Das entspricht 1.315 Fällen. Hier wurde in 25,4 % ein Fehler festgestellt.

9 % der Vorwürfe bezogen sich auf die Frauenheilkunde und Geburtshilfe, 8 % auf den Bereich Zahnmedizin, inklusive Oralchirurgie und Kieferorthopädie. Die absoluten Zahlen lagen bei 1.231 Fällen für die Frauenheilkunde und Geburtshilfe und bei 1.109 Fällen für die Zahnmedizin. Bei der Zahnmedizin wurde bei 35,8 % der Fehler bestätigt; bei der Frauenheilkunde und Geburtshilfe bei 27,3 %. 794 Fälle, also 5 % der Vorwürfe, bezogen sich auf Pflege. Die Gutachterinnen und Gutachter stellten hier in 401 Fällen und damit in jedem zweiten Fall, einen Fehler fest.

25 % der Vorwürfe bezogen sich auf 29 weitere Fachgebiete. Dabei ging es insgesamt um 3.543 Fälle. Bei 26,8 % wurde ein Fehler festgestellt.

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Michaela Gehms

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