Pressemitteilung

Bilanz nach fünf Jahren IGeL-Monitor: Bei den meisten IGeL mehr Schaden als Nutzen

In der Arztpraxis bekommt jeder zweite Patient Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten, die privat zu bezahlen sind. Häufig geht es um ergänzende Früherkennungs-untersuchungen wie Ultraschall, Lungen-Check, EKG und andere. Doch die Schaden-Nutzen-Bilanz dieser Leistungen fällt oft eher negativ aus. Auch Früherkennung kann schaden. Mit dem Internetportal www.igel-monitor.de, das der MDS betreibt, haben die Patienten seit fünf Jahren eine wissenschaftlich fundierte Entscheidungshilfe für und gegen IGeL.  

„Aus zahlreichen Zuschriften wissen wir, dass sich viele Patienten bei der Entscheidung über eine IGeL allein gelassen fühlen“, sagt Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS. So gab nur jeder Vierte bei einer Befragung des IGeL-Monitors an, zufrieden über Informationen zu möglichen Schäden zu sein. „Wir wollen das Informationsgefälle verringern und die Patienten unterstützen, damit sie gut informiert eine Entscheidung treffen können.“ Tagtäglich informieren sich rund 2.000 Nutzer auf www.igel-monitor.de – das Thema ist nach wie vor sehr relevant und wird weiterhin stark nachgefragt. Dr. Pick kritisierte, dass manche Praxis einen transparenten Umgang mit IGeL vermisse lasse. „Es ist nicht hinnehmbar, wenn Patienten unter Druck gesetzt werden oder wenn sie vor der Behandlung weder ausreichende Informationen noch eine nachvollziehbare Kostenaufstellung erhalten. Auch wenn manches besser geworden ist − es ist nicht alles gut.“  

Viele IGeL im Angebot – trotz sehr geringer überzeugender Nutzenbelege  

Die Gesamtbilanz der bislang 45 Bewertungen und Beschreibungen des IGeL-Monitors fällt nicht gut aus. Vier IGeL bewerten die Wissenschaftler negativ − das bedeutet, sie sehen den Schaden deutlich höher an als den Nutzen − wie zum Beispiel bei der durchblutungsfördernden Infusionstherapie gegen Hörsturz. 17 IGeL erhalten die Bewertung tendenziell negativ – das heißt der zu erwartende Schaden ist höher als der Nutzen. Bei 15 weiteren Bewertungen kommt das Wissenschaftlerteam zum Schluss, dass die Schaden-Nutzen-Bilanz mit unklar zu bewerten ist. Nur drei IGeL werden mit tendenziell positiv bewertet; keine IGeL erhält die Bewertung positiv. Vier IGeL wie Sport-Check oder Atteste werden nicht bewertet, sondern nur beschrieben. Zwei IGeL-Bewertungen werden zurzeit aktualisiert.  

Früherkennungstests wie „Lungen-Check“ und EKG schneiden „tendenziell negativ“ ab  

Die beiden jüngsten Bewertungen des IGeL-Monitors schließen mit „tendenziell negativ“ ab. Die Wissenschaftler untersuchten zum einen Schaden und Nutzen des Lungenfunktionstests. Die sogenannte Spirometrie, bei der mit einem Gerät das Lungenvolumen gemessen und festgestellt wird,   wie schnell jemand ausatmet, soll helfen, Lungenerkrankungen wie Asthma bronchiale und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD – umgangssprachlich „Raucherlunge“) frühzeitig bei Patienten zu erkennen, die keine Atembeschwerden haben. Das Wissenschaftlerteam fand bei der Recherche keine Hinweise für einen Nutzen. Dagegen sind Schäden durch Übertherapien und falsch positive Befunde möglich.  

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der IGeL-Monitor auch bei der Bewertung des EKG zur Früherkennung einer koronaren Herzkrankheit. „Auch wenn Früherkennungs-untersuchungen meist sehr positiv von Patienten und Ärzten gesehen werden – sie sind nicht per se nützlich. Sie können schaden – durch Übertherapien, Überdiagnosen, Belastung durch Tests oder auch dadurch, dass sie dem Patienten eine falsche Sicherheit vorgaukeln“, erläutert Dr. Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs „Evidenzbasierte Medizin“ beim MDS. Zahlreiche Früherkennungsuntersuchungen, die oftmals als zusätzliche IGeL beim Check-up 35 verkauft werden, müssten daher kritisch betrachtet werden. Der Check-up 35 ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, bei der Versicherte ab 35 Jahren alle zwei Jahre Anspruch auf eine ärztliche Gesundheits-untersuchung haben. „Bei den Früherkennungsuntersuchungen, die als IGeL angeboten werden, ist ein Markt entstanden, der zunehmend größer und uneinheitlicher wird. Aufgrund der vielen Kombinationsmöglichkeiten wird es für Patienten immer schwieriger, den Nutzen einzuschätzen und abzuwägen, ob eine zusätzliche Leistung tatsächlich sinnvoll ist“, sagt Dr. Eikermann.  

Transparenz und Informationen sind unverzichtbar: Neue Website www.igel-monitor.de  

Um Patienten noch besser fundiert zu unterstützen, hat der IGeL-Monitor seine Homepage neu gestaltet. „Dabei haben wir viele Anregungen der Nutzer aufgegriffen. Da viele Besucher auf die Internetseite kommen, um sich über eine ganz konkrete IGeL zu informieren, steht das Suchfenster im Mittelpunkt“, sagt Dr. Christian Weymayr, freier Medizinjournalist und Projektleiter des IGeL-Monitors. Darüber hinaus wurde das Design modernisiert und neu gestaltet. Die Nutzer können den IGeL-Monitor nun auf allen Endgeräten problemlos nutzen – sodass sich Patienten zum Beispiel auf dem Smartphone auch in der Praxis einfach informieren können. Wie auch bisher finden Besucher auf dem Internetportal ergänzende Informationen rund um IGeL: Wer bietet was, warum, wie an und vieles andere mehr.  

Hintergrund:

Die Bewertungen des IGeL-Monitors basieren auf den Methoden der Evidenzbasierten Medizin (EbM). Das heißt: Für die Bewertung von Nutzen und Schaden einer IGeL-Leistung recherchiert das Team aus Medizinern und Methodikern beim MDS in medizinischen Datenbanken. Die Wissenschaftler tragen die Informationen nach einer definierten Vorgehensweise zusammen und werten sie systematisch aus. Das IGeL-Team wägt Nutzen und Schaden gegeneinander ab und fasst das Ergebnis in einer Bewertungsaussage zusammen, die von „positiv“, „tendenziell positiv“ und „unklar“ bis zu „tendenziell negativ“ und „negativ“ reicht. Alle Analyseschritte einer Bewertung sind auf dem IGeL-Monitor dokumentiert. Jede bewertete IGeL wird in mehreren Ebenen dargestellt, die von Stufe zu Stufe ausführlicher und fachlicher werden: von der zusammenfassenden Bewertungsaussage bis hin zu den für ein Fachpublikum hinterlegten Ergebnissen der wissenschaftlichen Recherche und Analyse. Versicherte erfahren außerdem, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bei den Beschwerden übernommen werden, für die der Arzt die IGeL-Leistung anbietet. Sie erhalten auch Auskunft über die Preisspanne. Und schließlich gibt der IGeL-Monitor Tipps, wie sich Versicherte im konkreten Fall verhalten können, wenn ihnen IGeL angeboten werden.  

Der MDS (Medizinischer Dienst des GKV-Spitzenverbandes) berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen.

Ihr Ansprechpartner

Michaela Gehms

Michaela Gehms

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