Pressemitteilung

Weichen für zukunftsfeste Pflegebegutachtung jetzt stellen

Immer mehr Menschen haben Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Voraussetzung für den Leistungsbezug ist die Pflegebegutachtung beim Medizinischen Dienst, der die Pflegebedürftigkeit des Versicherten feststellt und einen Pflegegrad empfiehlt. Die Begutachtungszahlen sind von 1,8 Mio. im Jahr 2016 auf 2,6 Mio. in 2022 gestiegen − Tendenz weiter steigend. „Damit die Versicherten auch in Zukunft zeitnah begutachtet werden können, brauchen wir flexible Begutachtungsformate wie das strukturierte Telefoninterview. Die Flexibilisierung sollte im Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege umgesetzt werden“, sagt Carola Engler, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund, beim heutigen Expertenforum Pflege in Berlin.

Die Pflegebegutachtung erfolgt beim Medizinischen Dienst durch qualifizierte Pflegefachkräfte. Die Medizinischen Dienste in den Ländern haben in den vergangenen Jahren mit erheblichen Personalverstärkungen und Optimierungen in den Abläufen proaktiv reagiert. Die Anzahl der Vollzeitstellen für Pflegefachkräfte ist zwischen 2016 und 2021 bundesweit um 43 Prozent gestiegen. „Aufgrund des Fachkräftemangels stehen immer weniger Pflegefachkräfte zur Verfügung und der Trend verstärkt sich durch die demografische Entwicklung“, sagt Engler. „Ein schonender Umgang mit der kostbaren Ressource Pflegekraft ist dringend geboten. Dazu kann die Flexibilisierung der Begutachtungsformate ebenfalls beitragen.“

Positive Erfahrungen aus der Pandemie nutzen, Versicherte zeitnah unterstützen

Die Erfahrungen aus der Pandemie haben gezeigt, dass das strukturierte Telefoninterview eine gleichwertige Alternative zum Hausbesuch sein kann. Die Pflegegradverteilung blieb bei der Anwendung des strukturierten Telefoninterviews bundesweit stabil und die Zufriedenheit der Versicherten mit dieser Begutachtungsform war genauso hoch wie bei den Hausbesuchen. Das Telefoninterview eignet sich vor allem bei Höherstufungsanträgen, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben: Deren Anzahl hat sich zwischen 2016 und 2022 von 0,6 Mio. auf 1,2 Mio. verdoppelt.

„Die Medizinischen Dienste können die persönliche Begutachtung nicht mehr in jedem Fall fristgerecht gewährleisten, wenn nicht gegengesteuert wird. Damit die Versicherten dauerhaft eine qualitativ hochwertige und zeitgerechte Begutachtung erhalten, müssen flexible Begutachtungsformate eingeführt werden“, sagt Dr. Martin Rieger, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Westfalen-Lippe.

Höherstufungsanträge werden von Versicherten gestellt, deren Pflegebedürftigkeit sich verschlechtert hat und die bereits vom Medizinischen Dienst in eigener Häuslichkeit begutachtet worden sind. Das können zum Beispiel Versicherte sein, die an fortgeschrittenen Krebserkrankungen oder Demenz leiden. „In solchen Situationen geht es darum, eine zügige Begutachtung ohne Belastung für die Betroffenen zu ermöglichen, damit sie schnellstmöglich ihre Leistungen erhalten können. Das Telefoninterview ist dafür gut geeignet“, erläutert Rieger.

Im Auftrag des Medizinischen Dienstes Bund werden die strukturierten Telefoninterviews derzeit unter wissenschaftlicher Begleitung des Instituts für Pflegewissenschaften (IPW) an der Universität Bielefeld evaluiert, und es werden Kriterien für geeignete Fallkonstellationen ermittelt. Die Ergebnisse werden im zweiten Quartal 2023 vorliegen, sodass die Telefoninterviews umgehend eingeführt werden könnten.

Qualitativ hochwertige Begutachtung sichern – digitale Formate weiterentwickeln

Der Medizinische Dienst hat während der Pandemie auch Videobegutachtungen in Pflegeeinrichtungen getestet, um deren Potenzial für die Weiterentwicklung der Begutachtungsformate zu eruieren. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass sie sehr gut geeignet sind, um ortsungebunden und flexibel qualitativ hochwertige Pflegebegutachtungen durchführen zu können. Derzeit wird eine große Forschungsstudie in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen auf den Weg gebracht, um Eignung, Güte und Einsatzmöglichkeit der Videobegutachtungen wissenschaftlich zu untersuchen. Dieses Format gilt es, in einem zweiten Schritt für die Versicherten anzubieten. Voraussetzung dafür ist die Verfügbarkeit von W-LAN, das derzeit weder in Pflegeheimen noch in der ambulanten Versorgung flächendeckend  vorhanden ist.

Hintergrund:
Beim Expertenforum Pflege des Medizinischen Dienstes Bund, das unter dem Titel „Pflege zukunftsfest gestalten“ in Berlin am 16. März 2023 stattfindet, diskutieren rund 150 Gäste aus Verbänden, Krankenkassen und dem Medizinischen Dienst, wie die Herausforderungen in der Pflege zu meistern sind: Wie können Pflegebedürftige und Pflegende gestärkt werden? Wie kann die Versorgung zukunftsfest gestaltet werden? Und welche Chancen bietet die Digitalisierung zum Beispiel bei der  Pflegebegutachtung?

Hintergrund der Veranstaltung ist die anstehende Pflegereform 2023: Ein erster Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums für ein Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) liegt seit Ende Februar vor. Darin sind auch Neuregelungen zur Pflegebegutachtung durch den Medizinischen Dienst vorgesehen. Die Begutachtung hat in der Regel weiterhin im persönlichen Hausbesuch zu erfolgen. Telefoninterviews sollen nur in Krisensituationen von nationaler oder regionaler Tragweite möglich sein.

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Michaela Gehms

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